Samstag, 24. Januar 2009
 
Sri Lanka: Tamilischer Abgeordneter erschossen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Samstag, 11. November 2006

Der tamilische Parlamentsabgeordnete Nadarajah Raviraj wurde Freitag Vormittag in Sri Lankas Hauptstadt Colombo ermordet. Er hatte immer einen friedliche Lösung angestrebt - und damit bei den Hardlinern beider Seiten wohl keine Freunde.

Unbekannte Killer auf einem Motorrad erschossen den Parlamentarier und dessen Leibwächter, als sie nach einem Fernsehinterview mit dem Auto losfahren wollten. Agenturen betonen, dass Raviraj am Vorabend an einer Demonstration gegen einen Artillerieangriff auf ein Flüchtlingslager teilgenommen hatte. Bei der Attacke im Nordosten des Landes waren am Montag 47 Zivilisten, darunter zahlreiche Kinder, getötet worden. Auch Amnesty International hatte gegen dieses Massaker protestiert. Raviraj ist der dritte tamilische Abgeordnete, der innerhalb eines Jahres ermordet wurde.

Selvam Adaikalanathan, der wie Raviraj der Tamil National Alliance (TNA) angehört, machte die Armee oder tamilische Paramilitärs für das Verbrechen verantwortlich. Derartige Morde werden aber in Sri Lanka praktisch nie aufgeklärt.

Nadarajah Raviraj, Anwalt und ehemaliger Bürgermeister der Stadt Jaffna im tamilischen Norden, war ein wichtiger Mann im schwierigen Friedensprozeß. Die TNA, für die er im Kongreß saß, pflegt ein Naheverhältnis zur Befreiungsorganisation der Tamilischen Tiger (LTTE), die für einen eigenen Tamilenstaat auf der Insel kämpfen. Raviraj hatte sich immer für eine friedliche Lösung des ethnischen Konflikts eingesetzt. Der seit Februar 2002 geltende Waffenstillstand wird allerdings seit der Wahl von Präsident Mahinda Rajapakse vor einem Jahr ständig verletzt. Mehr als 3000 Menschen, großteils Zivilisten, wurden seither Opfer der Gewalt. Der Jurist Raviraj war Mitglied eines vor kurzem gebildeten Freiwilligenkomitees zur Untersuchung von Verschleppungen und außergerichtlichen Tötungen. Außerdem nahm er an Mediationsseminaren zur Konflikttransformation teil, die vom österreichischen Institut IICP organisiert wurden. Bei diesen Seminaren, wo Modelle einer für alle Seiten akzeptablen Autonomielösung diskutiert werden, fungierte er als wichtiger Verbindungsmann zwischen Singhalesen und Tamilen. Wegen wiederholter Drohungen hatte er den vergangenen August sicherheitshalber in Deutschland verbracht.

Eine Gesprächsrunde in Genf zwischen Regierung und LTTE endete am letzten Oktoberwochenende ergebnislos. Das Bekenntnis beider Seiten zum Waffenstillstand hat die Gewalt nicht eingedämmt. Zentraler Streitpunkt war die Freigabe der von der Armee blockierten Straße, die den Norden mit dem Rest des Landes verbindet. Die tamilische Bevölkerung leidet dadurch unter Lebensmittelknappheit. Wie gespannt die Lage im Norden ist, konnte auch Lars Solveberg, der Chef der skandinavischen Monitoring Mission, vor wenigen Tagen konstatieren. Als er sich vor Ort vom Zustand der Transportwege überzeugen wollte, geriet er unter Artilleriebeschuß der Armee.

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